Bohley, Peter:

Europäische Einheit, föderatives Prinzip und Währungsunion:
WURDE IN MAASTRICHT DER RICHTIGE WEG BESCHRITTEN?

Mit EINLEITUNG und ANHANG zur Rechtslage:
EU-Recht und Österreichische  Bundesverfassung (Auszüge)

Broschiert (100% Recyclingpapier), Format 23,5 x 16,5 cm, 16 Seiten, 1994.
3-900944-02-4
SFR 3,40 / EUR 2,00
Einbandgrafik: Gerson Kovács, 1140 Wien,
nach: Pieter Bruegel d. Ä., Turmbau zu Babel (1563).

Diese Broschüre wird bei Bestellung weiterer Titel auf Wunsch kostenlos beigelegt.
 

Inhaltsüberblick:

Das Vertragswerk von Maastricht verstößt in verschiedener Hinsicht gegen das föderative Prinzip und bedroht im speziellen die binnenföderalistische Struktur Deutschlands. Der deutsche Staat stellt den bisher (1994) einzigen Bundesstaat unter den zwölf Ländern der Europäischen Gemeinschaft bzw. Union dar, anders als etwa das französische, zentralistisch-hierarchische Staatsmodell, das dem Aufbau der europäischen Bürokratie bisher als Vorbild gedient hat. Auch die deutsche Selbstverwaltung auf Gemeindeebene könnte seit Maastricht ausgehebelt werden. Die Bezugnahme auf das „Subsidiaritätsprinzip" im Text des Vertrages und die Einrichtung eines Ausschusses der Regionen haben nicht viel mehr als kosmetischen Charakter. Neben einem sogenannten „Demokratiedefizit" - ein merkwürdig verniedlichender Ausdruck - enthält der Vertrag also ein Föderalismusdefizit.

Auch in Österreich stellt nicht nur das demokratische Prinzip sondern auch das bundesstaatliche Prinzip einen integrierenden Bestandteil der bisherigen Bundesverfassung dar. Durch einen EU-Beitritt würden die verfassungsrechtlichen Kompetenzen sowohl des Bundes als auch der Länder zugunsten supranationaler Organisationen wie EU und EURATOM bzw. deren Organe wesentlich eingeschränkt werden, was einen zunehmenden politischen Bedeutungsschwund sowohl des Bundes als auch der Länder zur Folge hätte. Zudem würde die Übertragung verfassungsgesetzlicher Kompetenzen der Länder auf die zuständigen EU-Organe erfolgen. So kann aufgrund des EU-Rechts nicht ausgeschlossen werden, daß Kompetenzen des Wasserrechts und der Raumordnung „hochgezogen" werden. Über diesen Umstand ist die Öffentlichkeit trotz anhaltender EU- „Werbung" seitens der Regierung bisher nicht informiert worden. Laut dem seit 1985 regierenden Kommissionspräsidenten der Europäischen Union und Vorsitzenden des Wirtschafts- und Währungsausschusses des Europäischen Parlaments, dem Sozialisten Jacques Delors, beruhen 80% der nationalen Gesetze und Verordnungen auf Vorgaben aus Brüssel.

Bei den in Maastricht gefaßten Beschlüssen zur Währungsunion (Einheitswährung und Europäische Zentralbank) wurden wichtige verfassungs-mäßige, gesellschaftliche und ökonomische Voraussetzungen übersehen. Es wurde nicht berücksichtigt, daß eine auf Preisstabilität ausgerichtete Geldpolitik in entscheidender Weise von mehr als nur einem richtigen Zentralbankstatut abhängt. Die identitätsstiftende und gesellschaftlich stabilisierende Funktion, die aus verschiedenen Gründen im Fall der D-Mark eine besondere Rolle spielt, blieb ebenfalls unbeachtet. Die geplante Währungsunion wird zu einem „Mehrklasseneuropa" führen.

Die über eine Einheitswährung forciert angestrebte „Einbindung" Deutschlands führt eher zu einer Lähmung als zu einer Förderung der produktiven Kräfte Europas. Eine deutsche Einbindung ist auch ohne die Abschaffung der D-Mark möglich. Sie könnte auf eine Weise geschehen, die den in Europa und von Europa zu lösenden Problemen sowie der Notwendigkeit eines immer engeren Zusammenrückens der Europäer sehr viel besser gerecht würde, als es der in Maastricht eingeschlagene Weg erlaubt. Aufgrund seiner inneren Unausgewogenheit birgt der Maastrichter Vertrag die nicht zu unterschätzende Gefahr, nationale Ressentiments zu wecken und damit letztlich der europäischen Sache zu schaden statt zu dienen.

Die sachkundige wie auch scharfsinnige Analyse, die Prof. Bohley an dem Vertragswerk von Maastricht hinsichtlich der bundesstaatlichen Struktur und der nationalen Währung Deutschlands vornimmt, ist auch für den Bundesstaat Österreich von größter Relevanz. Bohleys Untersuchungen werden durch einen ANHANG des Herausgebers ergänzt, in dem einige bedeutungsvolle Artikel des Maastrichter Unionsvertrags („Blanko-Vollmachten und Gummiparagraphen") zitiert und in den Kontrast eindeutiger österreichischer Bundesverfassungsgesetze gestellt werden. Dies erscheint wichtig, da eine Gesamtänderung der Österreichischen Bundesverfassung im Anschluß an eine bejahende Volksabstimmung bevorsteht, ohne daß die Regierung dies bereits im Abstimmungstext deklarieren will. Schließlich wird anhand der Frage nach der Austrittsmöglichkeit aus der Union auf das eklatante Informationsdefizit hingewiesen, das die Pro-EU-Werbekampagne der Regierung aufweist.

Die vorliegende Broschüre stellt somit insgesamt eine anspruchsvolle und praktische Kurzlektüre zur Rechtslage in der Diskussion um die EU-Beitrittsfrage Österreichs 1994 dar.

Einbandgrafik:

Von Gerson Kovács, 1140 Wien,
nach: Pieter Bruegel d. Ä., Turmbau zu Babel (1563).

Die EG-Kommission weiß, daß sie in den nächsten Jahrzehnten vielen neuen Mitgliedern Zugang gestatten muß. Aber sie hofft, zuvor einen europäischen Superstaat zu errichten [...]. Solch ein Gebilde ist ein noch utopischeres Unterfangen als der Turmbau zu Babel. Denn die Erbauer des Turms sprachen zumindest noch dieselbe Sprache, als sie mit dem Bau begannen. Sie waren, so könnte man sagen, communautaire."

Margaret Thatcher
Aus: Brunner, M.: Kartenhaus Europa? Abkehr vom Zentralismus - Neuanfang durch Vielfalt. Verlag Bonn Aktuell 1994, Seite 202.

 

Der Autor:

Univ.-Prof. Dr. rer. pol. Peter Bohley ist Ordinarius an der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Zürich und Direktor des Wirtschaftswissenschaftlichen Instituts sowie Leiter des Statistischen Seminars. Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher Fachbücher wie:

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